Donnerstag, 28. April 2011

Vanishing Point (1971)


Vanishing Point
(oder "Mit einem Brand gegen die Wand")

1971: Nachdem Easy Rider zwei Jahre zuvor eingeschlagen hatte wie eine Bombe, versucht diesmal Richard C. Sarafian in seinem Werk einen Einzelgänger durch die USA zu schicken. Der Held sollte aber auf dem Sitz eines Muscle Cars die trockenen Ebenen entlang reisen und nicht im Freien, sondern gar nicht schlafen.



Inhalt:
Kowalski's Leben ist ein kunterbuntes Sammelalbum für Klebebilder des Versagens. 
Er ist geprägt durch Impressionen aus dem Vietnamkrieg, einem schlechten Führungszeugnis aus einem Job als Cop und diversen Erfahrungen als Rennfahrer. Nachdem all diese Einkommensquellen ausprobiert wurden und doch keine lang anhaltenden Anstellungen mit sich brachten, entscheided sich der begabte Fahrzeugführer zur Karriere als Autoschieber.

Seine aktueller Auftrag ist es, einen weißen Dodge Challenger R/T von Denver (nicht Danver...) nach San Francisco zu fahren. Für eine Strecke von etwa 2000 Kilometern, hat er aber nur 15 Stunden Zeit. Um pünktlich anzukommen, muss er sich mit Speed-Tabletten wach halten und die Leistung seines Bulliden bis zur höchsten Drehzahl ausreizen.

Das stinkt der Polizei natürlich gewaltig.
Nachdem anfangs eher wenige Beamte den günstigen Windschatten nutzen, verfolgt gegen Ende des Films ein unglaubliches Aufgebot den Speedfahrer. Das amerikanische Volk (vor allem Hippies und gesellschaftliche Aussenseiter) bekommt das riskante Unterfangen per Radio mit, feiert den Helden und hilft ihm wo immer es nur kann.



Interpretation:
Typisch (für einen gelungenen) Road Movie, entspringt Kowalski aus einer Schicht von Liberalen, Hippies und Outlaws. Doch er wurde nicht frei geboren: nachdem er irgendwann einmal dem Staat gedient hatte, versuchte er sich auf einem akzeptierten Spielfeld der Amerikaner - der Rennstrecke.
Wochenlange Etappen von exzessivem Amphetaminkonsum, brachten ihn aber von der Strecke ab oder sogar zum Fall von seinem Motorrad. Um nicht auf den Wachmacher verzichten zu müssen, gleichzeitig aber den Rausch der motorgetriebenen Geschwindigkeit zu erleben, bricht er mit der Gesellschaft und findet seine Erfüllung hinter dem Lenkrad - als Autoschieber.
Nun muss er nicht mehr auf Startschüsse warten und vorgegebene Markierungen abfahren, sondern kann das Gefühl der Freiheit, sogar ohne lästige Schlafunterbrechungen, auf den weiten Straßen Westamerikas genießen.

So sehr Kowalski das Establishment auch hasste -
sein Glaube zwang ihn zur Teilnahme am Recyclingprogramm...
Der Rebell findet unter seinesgleichen viele Anhänger und Dealer, nachdem die Geschäftsreise über das Radio bekannt wird. Das Sendeprogramm wird von einem blinden Schwarzen gesendet und findet seine Anhänger unter verschiedenen Freiheitsliebenden. Also, entsprechend Zuhörer und Produzent für die damalige Zeit, eine Sendung von gesellschaftlich Nicht-Akzeptierten, gemacht für eben solche. Die Zuhörerschaft wächst stetig an, sodass Kowalski Unterstützung und günstige Kurse widerfaren, wo auch immer er hinkommt oder ins Radioprogramm hört.
Üblich für das Genre und die damalige Zeit, wird die Polizei als unterdrückender Machtapparat mit rassistischer, kalter und brutaler Einstellung dargestellt. Es scheint als würden die Cops dem Sportwagen folgen, ohne einen triftigen Grund zu haben - hauptsache festnehmen und Macht demonstrieren.
Doch so sehr sie sich auch abmühen, der Fahrer des Gefährts ist mit allen Wassern geölt. Auf kreative Art und Weise entkommt er ständig den Fängen des Staates. 
Insgesamt könnte die Reise durch die Wüstenlandschaft Amerikas, als Erfüllung des Freiheitswunsches interpretiert werden, welche vom Establishment aber behindert wird. Die Polizei will ihn wieder zurück auf die Straßen des Gesetzes bringen und ihn mit angemessener Geschwindigkeit der breiten Masse hinterherdackeln lassen.


Analyse:

Als die Aufputschmittel an Wirkung verloren, konnte Kowalski
sich nicht mehr daran erinnern, wo er die Straße vergraben hatte...
Landschaft:
Der Film führt den Zuschauer durch die trockenen Ebenen Westamerikas. Einsame, sandbedeckte Straßen führen stets auf den Horizont, der unendlich weit entfernt zu liegen scheint. Sowohl Panoramaaufnahmen, als auch von weiter Distanz geschossene Bilder vom weissen PS-Bomber im ewigen Sand, lassen den gefesselten Zuschauer so tief in die Wüste eindringen, dass Schwitzen und Stinken vorherprogrammiert ist - Road Movie in Rohformat!

Vehikel:
Der Dodge Challenger R/T ist ein Paradebeispiel eines amerikanischen Auto-Klassikers. Der Bullide ist genauer unter die Spezies der Pony Cars einzuordnen, die etwas kleiner - somit leichter sind, aber gleichzeitig über einen leistungsstarken Motor verfügen.
Das Glanzstück dieses Films hatte einen 7,0 Liter Hemi-V8 Motor verbaut, der eine Leistung von 425 PS brachte. Das Motorengeräusch brummt unwahrscheinlich grandios und der Auspuff dürfte die Schallwellen sogar bis in die entlegensten Flecken der Wüste drücken.
Damit ist klar, warum Kowalski keine Lust mehr auf gesunden Schlaf hat und lieber seinen Fuß auf dem Gaspedal ruhen ließ.

Weggefährten (SPOILER):

Auf seinem Trip lernt Kowalski einen Schlangenfänger und überzeugten Freund von Kautabak kennen. Wenn dieser nicht gerade spuckt oder sich braunen Siff von den Lippen putzt, kann er auch Benzin in der Wüste ausfindig machen oder mit einer Technik - die nahezu militärisch perfekt wirkt - Autos verschwinden lassen.
Zum Schluss gibt er dem Fahrer noch eine Wegbeschreibung, die eher dessen Leben eine Richtung gibt, als dem Lenkrad des Challengers - war aber nett gemeint. Ein Wirklich netter Kerl!

Die nächsten Reisesouverniere sollen zwei Opfer einer Autopanne werden. Ihr Auto steht augenscheinlich funktionsunfähig am Straßenrand und trägt ein "Just Married"-Schild.
Im Vorbeifahren erblickt der übermüdete Kowalski eine große schlanke Person und hält sie wahrscheinlich für weiblich. Nachdem er angehalten hat und die Fremden einsteigen lässt, zeigt sich sein Fehler: ein großer, extrem schlanker und offensichtlich homosexueller Mann, sowie ein kleiner, dicker und klischeehaft gekleideter Kinderschänder steigen in das Auto.
Kaum beschleunigt das Auto, fängt der Schwule an zu zicken. Als Kowalski lächelt und damit das Gefühlsfass des Großen zum Überlaufen bringt, packt dieser eine Pistole aus. Erquickt von dieser bedrohlichen Situation, wird auch der Kinderschänder heiß:
Er packt Kowalski an den Haaren und nennt ihn 'Mary'.
Der Fremdenführer bleibt cool und kann aufgrund seiner schnellen Bewegungen, dem Schwulen einen Fingernagel, dem Pädophilen seine Rapist-Brille brechen.
Damit ist zumindest ihre Fahrt vorbei.

Nur der Sonnenbrand konnte sie dazu überreden,
in Zukunft Schulterpolster zu tragen...
Der Dritte Weggefährte ist ein Biker auf einer schönen Harley Davidson. Muscle Car und Chopper fahren nebeneinander, während Kowalski den wahrscheinlich faszinierendsten aller Drive-Ins erlebt: den Highway-Speed-Shop.
Kraftrad-Hippie zeigt ihm kurz später seine Bude, die von einer nackten Frau auf einem Motorrad umkreist wird. Kowalski merkt bald, dass er diese Frau schon kennt. Als sie noch Klamotten getragen hatte, rettete er sie vor der sicheren Vergewaltigung. Als er aber sieht, was aus ihr geworden ist, bekommt er ein Magengeschwür und muss erst mal eine rauchen.
Anschließend hat der Biker eine solch brilliante Idee, die Polizeisperre zu umgehen, das jegliche, noch so wohlwollende Beschreibung meinerseits, einen Spott für das Genie des Bastlers darstellen würde.


Musik:
In Vanishing Point wurden Musiktitel gewählt die zwischen Rock und Country anzusiedeln sind. Neben Einspielungen des oben erwähnten Radio Moderators, kann der Zuschauer zum Beispiel auch ein Hippie-Livekonzert besuchen. Die Auswahl ist gelungen und verbreitet Stimmung - entweder stellt sich der Zuschauer einen Country Line Dance vor oder genießt das Live Konzert im Hippie Camp.

Reisemotiv:
Ein Auto, wahrscheinlich aus einem krummen Deal erstanden, muss in Windeseile von Denver nach San Francisco gebracht werden. Dazu kommt ein niedriger Speed-Preis, der eine Reise dieser Art erst möglich macht.
In Kombination ist beides ein plausibler Grund, sein Gewissen auszuschalten und total dicht, 2000 Kilometer quer durch Amerika zu reisen.


Diagnose:
Das Ende aller Reizüberflutung...
Vanishing Point steht seinem Vorgänger Easy Rider in nichts nach!
Ein Road Movie im Urformat. Heisses Wetter, weite Wüste und ein Klassiker der Automobilgeschichte.

Wer den brachialen Ton einer 7 Liter Maschine, Stunts auf sandigen Highways oder einen dauerdichten Schauspieler erleben will, ist mit Vanishing Point gut beraten.

Die Handlung ist bewusst dünn gehalten. Dafür weist der Film andere Perlen auf.
Es gilt ganz klar: der Weg ist das Ziel. Und in diesem Fall sollte man auf jeden Fall mitreisen!




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